Die Europäer by James Henry

Die Europäer by James Henry

Autor:James, Henry [James, Henry]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Manesse Verlag
veröffentlicht: 2015-09-21T00:00:00+00:00


«Sagen Sie mir eins», fuhr Felix fort und folgte ihr. «Ist es wahrscheinlich, dass Sie nachgeben, dass Sie sich überreden lassen?»

Gertrude blickte ihn mit unverändert ernster Miene an, die im Widerspruch zu seinem geradezu eifrigen Lächeln stand. «Ich werde Mr. Brand niemals heiraten», sagte sie.

«Aha!», erwiderte Felix. Langsam gingen sie zusammen den Hügel hinunter, wortlos, bis ans Ufer. «Es ist ja Ihre Sache», begann er wieder, «aber wissen Sie was? Ich bin nicht unbedingt froh darüber. Es wäre für mich eine gewisse Erleichterung, wenn es beschlossene Sache wäre, dass Sie Mr. Brand heiraten. Ich würde mich freier fühlen. Denn ich habe ja kein Recht, Ihnen den Hof zu machen, nicht wahr?» Und er schwieg, um seiner Beweisführung ein wenig mehr Nachdruck zu verleihen.

«Nicht das geringste», erwiderte Gertrude rasch – allzu rasch.

«Ihr Vater würde nichts davon hören wollen, ich besitze keinen Penny. Mr. Brand hat natürlich selbst Vermögen, nicht wahr?»

«Ich glaube, ja, aber das hat nichts damit zu tun.»

«Für Sie natürlich nicht, aber für Ihren Vater und Ihre Schwester gewiss. Wie gesagt, wenn dies beschlossene Sache wäre, würde ich mich freier fühlen.»

«Freier?», wiederholte Gertrude. «Machen Sie bitte das Boot los.»

Felix wickelte die Leine ab, behielt sie in der Hand und blieb stehen. «Dann wäre ich in der Lage, Ihnen gegenüber Dinge auszusprechen, die ich mir jetzt leider versagen muss», fuhr er fort. «Ich könnte Ihnen sagen, wie sehr ich Sie bewundere, ohne dass es so aussieht, als erhöbe ich Anspruch auf etwas, worauf ich keinen Anspruch erheben darf. Ich könnte Ihnen hemmungslos den Hof machen», fügte er lachend hinzu, «wenn ich dächte, Sie wären in einer Situation, in der Sie sich dadurch nicht beleidigt fühlen können.»

«Sie meinen, wenn ich mit einem anderen Mann verlobt wäre? Das ist ein seltsamer Gedankengang», rief Gertrude.

«Dann würden Sie mich nämlich nicht ernst nehmen.»

«Ich nehme jeden Menschen ernst», sagte Gertrude. Und leichtfüßig und ohne seine Hilfe stieg sie ins Boot.

Felix griff nach den Rudern und legte ab. «Also darüber haben Sie nachgedacht? Es kam mir schon so vor, als hätten Sie etwas auf dem Herzen. Ich wünsche mir sehr, Sie würden mir einige dieser sogenannten Gründe – dieser Verpflichtungen – nennen.»

«Es sind keine echten Gründe, keine guten Gründe», sagte Gertrude, den Blick auf das rosa und gelb schimmernde Wasser gerichtet.

«Das verstehe ich! Wenn ein hübsches Mädchen ein Fünkchen Koketterie zeigt, ist das kein Grund.»

«Wenn Sie damit mich meinen – so war es nicht. Ich habe nichts dergleichen getan.»

«Jedenfalls macht es Ihnen Kummer», sagte Felix.

«Keinen so großen wie früher», erwiderte Gertrude.

Er sah sie an, unablässig lächelnd. «Das will nicht viel besagen, hm?» Doch sie ließ ihren Blick nur sehr ernst auf dem leuchtenden Wasser ruhen. Anscheinend versuchte sie, die Symptome des Kummers, von dem sie soeben gesprochen hatte, zu verbergen. Sobald sich irgendwo so etwas wie Schwermut zeigte, verspürte Felix stets den Drang, sie zu verscheuchen, so wie eine gute Hausfrau allen Staub abwischen will. Und jetzt gab es etwas, was er abwischen wollte. Er hörte plötzlich auf zu rudern und hielt die Riemen in der Schwebe. «Warum bemüht sich Mr.



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